Kultusminister verdrängt weiter die Realität

Veröffentlicht am 06.08.2018 in Landespolitik

Kultusminister verdrängt weiter die Realität

„Mit dem Ausblenden der Realität löst man kein einziges Problem, man verschärft es nur und stiehlt sich aus der Verantwortung. 20 Jahre CDU-Regierung haben einen Scherbenhaufen in der Bildungspolitik hinterlassen.“

Kultusminister Lorz hat nach Ansicht der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag zum Schuljahresbeginn eine beschämende Vorschau auf das kommende Schuljahr präsentiert. Die Situation an den Schulen in Hessen werde sich auch im letzten Jahr von Schwarzgrün nicht bessern, sondern drastisch verschlechtern, befürchtet der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Christoph Degen, am Donnerstag in Wiesbaden.

Die alten Probleme sind die neuen. Insbesondere an Grundschulen führt das Buhlen um Lehrkräfte zum Kannibalismus, da Schulen sich gegenseitig Lehrkräfte abwerben.

„Das neue Schuljahr beginnt und der Kultusminister tut so als sei wieder einmal alles in bester Ordnung. Er ist Spitze im Ausblenden der Realität und ahnungslos dazu. Jedes Schulkind weiß, dass  Unterricht ausfällt, weil Lehrermangel herrscht“, so Degen. Schuld seien die CDU-Landesregierungen, die die Nachwuchsarbeit verschlafen hätten und die halbherzigen Maßnahmen des Ministers so gut wie nichts bewirken. Deutlich am bestehenden Weiterbildungsprogramm, wo nicht einmal die Hälfte der Plätze besetzt werden konnten. Der Lehrermangel gerade an der Grundschule sorge dafür, dass die individuelle Förderung der Kinder nicht optimal umgesetzt werden könne.

Hinzu komme, dass Eltern für ein paar Stunden Nachmittagsbetreuung (-aufbewahrung) immer tiefer in die Tasche greifen müssten, weil echte gebührenfreie Ganztagsschulplätze weiter Mangelware seien. Kinder mit Beeinträchtigung und Behinderungen könnten weiter nicht inklusiv beschult werden, weil es viel zu wenige Förderschullehrkräfte gebe.  Auch ein guter Unterricht in modernen Schulen bleibe für viele Schülerinnen und Schüler ein Traum, weil Schulsanierungen zwei Jahrzehnte lang nur auf Sparflamme möglich waren.

Auch die Lehrerteams müssten weiter unter schwierigen Bedingungen arbeiten, weil die vor fast einem Jahr angekündigten sozialpädagogischen Hilfskräfte jetzt erst sukzessive den Schulen zur Verfügung stehen. Zur fairen Bezahlung von Lehrkräften oder zur Entfristung von Arbeitsverträgen kam kein Ton über die Lippen des Kultusministers.“

Ein Kultusminister Lorz, der keine Ahnung habe, wie viele Lehrkräfte zum Schuljahresbeginn an den Schulen fehlen, wann die 700 sozialpädagogischen Unterstützungskräfte ihre Arbeit jetzt endlich an den Schulen aufnehmen, wie viele Unterrichtsstunden ausfallen und der weder an Daten noch Fakten zur Situation der Schulen interessiert sei, disqualifiziere sich für seinen Job. Realitätsverlust bzw. –leugnung und Ahnungslosigkeit sei zum Markenzeichen des Kultusministers geworden.

Die Kritik der SPD im Einzelnen:

1. Kein Händchen gegen Lehrermangel und Unterrichtsausfall

Die CDU-geführten Landesregierungen haben es 19 Jahre lang versäumt, sich um genügend Nachwuchs an Lehrkräften zu kümmern. An den Schulen in Hessen fehlten hunderte Lehrerinnen und Lehrer. Unterrichtsausfall sei an der Tagesordnung, werde aber geleugnet und kaschiert. Vertretungsunterricht sei reine Betreuung. Die Qualität des Unterrichts leide darunter, dass immer mehr Laien, Personen ohne Lehramt, unterrichten. Die Versuche, ausgeschiedene Lehrkräfte zurückzuholen oder durch Weiterbildung mehr Lehrkräfte an Grund- und Förderschulen zu holen, seien im Sande verlaufen. Wir bräuchten in Hessen endlich eine vorausschauende Personalplanung, genügend Studienplätze, motivierte Bewerberinnen und Bewerbern für Weiterbildung und eine bessere (Nach-)Qualifizierung von Quereinsteigern.

2. Kein Ohr für die Hilferufe von Lehrkräften und Schulleitungen

Viele Lehrkräfte in Hessen arbeiten am Limit. Überlastungsanzeigen häufen sich und werden als „subjektives Belastungsempfinden“ abgetan. Studien und Anhörungen im Landtag zur Belastung von Lehrkräften, um aus subjektiven doch objektive Erkenntnisse zu erlangen, interessieren die Regierungsfraktionen und den Kultusminister nicht. „Unsere Lehrkräfte brauchen Entlastung und Wertschätzung für ihre Arbeit. Unbefristete Arbeitsverträge, faire Bezahlung und Unterstützung durch multiprofessionelle Teams sind erforderlich. Alleine, dass der Kultusminister keine Ahnung vom Krankenstand seiner rund 60.000 Lehrkräfte hat, spricht für sich.“

3. Kein Gespür für den Ganztagsausbau

Beim Ganztagsausbau tritt Hessen auf der Stelle. Von den 167 Pakt-Schulen waren schon 112 Grundschulen vor dem Eintritt in den Pakt im Ganztagsschulprogramm und haben schon vorher ganztägig in Profil 1 oder 2 gearbeitet. Mit dem „Mogelpakt“ für den Nachmittag, der eine Notlösung zur Aufbewahrung von Kindern sei, deren Eltern dafür viel Geld bezahlen müssen, habe sich nicht viel an der miserablen Betreuungssituation in Hessen geändert. Echte Ganztagsschulen, die mehr Qualität und mehr Zeit für individuelle Förderung bieten, seien kaum hinzukommen. Nur knapp hundert von 1.700 öffentlichen Schulen in Hessen seien echte Ganztagsschulen, darunter mehr als die Hälfte Förderschulen und gerade einmal 10 Grundschulen.

4. Kein Fortschritt bei der Schulsozialarbeit

Von den vollmundig angekündigten 400 sozialpädagogischen Fachkräften, die den Grundschulen seit dem 1. Februar zur Verfügung stehen sollten, seien gerade einmal 153 Stellen tatsächlich besetzt. Über die 300 Stellen an den weiterführenden Schulen schweige sich der Minister aus. Statt für ausreichend Schulsozialarbeit, Schulpsychologen und spezialisiertes Lehrpersonal zu sorgen, werde den Eltern und Lehrkräften mit den UBUS-Kräften Sand in die Augen gestreut.

„Kultusminister Lorz soll die rosa-rote Brille abnehmen und sich in den letzten  Wochen seiner Amtszeit mehr um die Realität kümmern, Offenheit und Transparenz an den Tag legen.“

 

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