Entscheidung Bouffiers zur Sperrerklärung war falsch und oberflächlich

Veröffentlicht am 27.06.2017 in Landespolitik

Nancy Faeser: Entscheidung Bouffiers zur Sperrerklärung war falsch und oberflächlich – ehemaliger Innenminister war schlecht informiert und hatte eigenes Ministerium nicht im Griff

NSU-Untersuchungsausschuss
 

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtages hat heute Ministerpräsident Volker Bouffier als Zeugen befragt. Bouffier war im Jahr 2006, der Zeit des Mordes an Halit Yozgat in Kassel durch den Nationalsozialisten Untergrund (NSU), amtierender hessischer Innenminister. Nach mehrstündiger Befragung des Zeugen Bouffier sagte die Obfrau der SPD im Untersuchungsausschuss, Nancy Faeser: „Wir haben heute einen Ministerpräsidenten vor dem Ausschuss gesehen, der offenbart hat, dass er als Innenminister sein eigenes Ministerium nicht im Griff hatte. Über fundamentale Entscheidungen im Zusammenhang mit den Ermittlungen nach dem Mord an Halit Yozgat war er anscheinend nur unzureichend informiert. Er behauptet heute, von V-Leuten aus dem rechtsradikalen Spektrum nichts gewusst zu haben. Es stellt sich die Frage, wieso der damalige Innenminister nicht nachfragte, welche V-Leute der damals verdächtige Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme führte. In seiner Aussage berichtete Bouffier, dass sein damaliger Kenntnisstand sich ausschließlich auf V-Leute in der islamistischen Szene bezogen habe. Herr Bouffier hatte keine plausible Erklärung dazu abgeben können, wieso er trotz einer im August 2006 getroffenen Einigung zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz und der Staatsanwaltschaft über das Verfahren zur Vernehmung von V-Leuten, diese verweigerte.“
Die SPD zeigte sich dagegen zufrieden mit der teilweisen Veröffentlichung eines Berichts zu Versäumnissen im Landesamt für Verfassungsschutz, die erst auf Druck der Sozialdemokraten vom Status „geheim“ herabgestuft wurde. Hinweisen auf NSU-Bezüge wurde nicht nachgegangen und ebenso zahlreichen Hinweisen auf Waffen- und Sprengstoffbesitz bei Rechtsradikalen.

Faeser sprach von einem beispiellosen Vorgang, dass das Parlament und die Parlamentarische Kontrollkommission bewusst nicht frühzeitig informiert worden seien. „Ein Verfassungsschützer des Landes Hessen war Tatverdächtiger in einer deutschlandweiten Mordserie, trotzdem wurde der Landtag ungeachtet seiner verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte nicht umgehend unterrichtet. Dies wurde jedoch erst drei Monate nach der Tat im Juli 2006, nachdem die Öffentlichkeit aus der BILD-Zeitung von dem Tatverdacht erfahren hatte, veranlasst. In der Entscheidung, das Parlament nicht zu informieren, war der damalige Innenminister mit eingebunden. Dies hat uns die Büroleiterin von Herrn Bouffier bestätigt. Wenn er nun zu Protokoll gibt, dass er sich habe sich auf die nachgeordnete Behörde verlassen habe und er nach eigener Aussage viele Akten nicht kenne, klingt das eher nach einer laschen Ausrede“, so Faeser.

Aus Sicht der SPD sei nicht nachvollziehbar, warum trotz der zahlreichen dienstlichen Verstöße von Temme und dem laufenden Mordermittlungsverfahren gegen ihn kein konsequentes Disziplinarverfahren durchgeführt wurde. „Es wird deutlich, dass angesichts der zahlreichen Verstöße gar kein Versuch unternommen wurde, ein konsequentes Disziplinarverfahren gegen ihn durchzuführen. Stattdessen haben wir aus den Akten erfahren, dass die Leitungsebene im Innenministerium und der damalige Innenminister Bouffier sich einig waren, dass dem Beamten keine finanziellen Nachteile in Form einer Gehaltskürzung während der Suspendierung entstehen sollten. Auch darauf hatte der heutige Ministerpräsident keine befriedigende Antwort“, sagte die SPD-Obfrau.

 

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