Schwarzgrüne Zwischenbilanz – Nahe an der Nulllinie

Veröffentlicht am 05.05.2019 in Landespolitik

Schwarzgrüne Zwischenbilanz – Nahe an der Nulllinie

Bild: Pietro Sutera

Thorsten Schäfer-Gümbel, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag und der HessenSPD, hat sich angesichts der Tatenlosigkeit der Landesregierung besorgt um die Zukunft gezeigt. „Man müsste enttäuscht sein, wenn man etwas Bahnbrechendes von schwarzgrün erwartet hätte. Haben wir aber nicht, unsere Erwartungen haben sich im Gegenteil fast vollständig erfüllt: Wohnen, Bildung und Mobilitätswende werden bestenfalls verwaltet, Ziel und Richtung sind selten erkennbar. Das ist medizinisch gesprochen in vielen Bereichen nahe an der Nulllinie“, sagte Schäfer-Gümbel heute in Wiesbaden bei einer Pressekonferenz.

In den ersten einhundert Tagen der neuen Legislaturperiode sei es CDU und Grünen nicht gelungen, politische Initiativen von Relevanz auf den Weg zu bringen, weil die beiden Regierungsparteien keine gemeinsame Zukunftsidee verbinde, so Schäfer-Gümbel. Stattdessen hätten die ersten hundert Tage deutliche Unterschiede zwischen den Koalitionsparteien erkennen lassen. „Ob es um pädagogische Konzepte für unsere Schulen geht, um die Lösung der Verkehrsprobleme in Hessen oder um Strategien gegen die Wohnungsnot – CDU und Grüne haben keinen gemeinsamen Nenner. Deswegen verfällt Schwarzgrün ins hochtourige Nichtstun. Das Ergebnis sind Ankündigungen, denen dann keine wirksamen Taten folgen. Dieses Muster allerdings kennen wir schon aus der letzten Legislaturperiode“, so Thorsten Schäfer-Gümbel.

Er sagte: „Eine Landesregierung muss nicht jeden Tag mit einer großen Vision beeindrucken. Aber wenn es wie derzeit bei Schwarzgrün überhaupt nichts gibt, was in die Zukunft weist, dann ist das nicht nur deprimierend, sondern kann am Ende auch gefährlich werden – für die politische Kultur, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für den materiellen Wohlstand. Die von allen Inhalten befreite Schaumschlägerei der Landesregierung rund um ihre 100-Tage-Bilanz hat vorgeführt, dass die aktuelle Koalition auf einer unsicheren Basis steht. Denn die Zusammenarbeit von CDU und Grünen beruht in Teilen auf höflichem Desinteresse am jeweils anderen. Koalitionsinterne Konflikte werden nicht gelöst, sondern vertagt, ausgesessen und ausgehalten. Wenn zum Beispiel der Innenminister von der CDU versucht, eine im achten Monat schwangere Frau nach Algerien abschieben zu lassen, dann schweigen die Grünen. Wenn der Wirtschafts- und Verkehrsminister die Grundsteinlegung für Terminal 3 am Frankfurter Flughafen schwänzt, dann schweigt die CDU. Die Grünen fordern auf dem Papier die Energiewende, aber im wirklichen Leben laufen CDU-Abgeordnete gegen jedes Windrad in ihrem Wahlkreis Sturm. Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel gibt es bei Schwarzgrün nicht, weil es eben kein gemeinsames Ziel gibt“, kritisierte der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Die Ministerinnen und Minister werkelten jeder für sich auf ihren Themenfeldern herum, aber niemand käme auf den Gedanken, das derzeitige Kabinett als kraftvolles Team zu beschreiben. Einzelne Kabinettsmitglieder seien sofort nach ihrer Ernennung völlig abgetaucht, so Schäfer-Gümbel: „Ich frage mich zum Beispiel, was aus Europaministerin Lucia Puttrich geworden ist. Man würde ja denken, dass sie gerade vor einer Europawahl vernehmlich für die europäische Idee werben muss, für ein geeintes Europa als Friedensprojekt und als Modell für gesellschaftlichen Ausgleich. Stattdessen hört man von der Ministerin – gar nichts.“

Besonders traurig stehe es um die politische Steuerung und Gestaltung der Digitalisierung, konstatierte Schäfer-Gümbel. Das als Zukunftsprojekt angekündigte „Ministerium für digitale Strategie und Entwicklung“ friste in der Staatskanzlei ein randständiges Dasein, die mit vielen Vorschusslorbeeren – auch von der SPD – ins Amt gestartete Ministerin Kristina Sinemus verfüge faktisch weder über Personal noch über Kompetenz. „Frau Sinemus hat derzeit ein paar Visitenkarten und einen Staatssekretär – aber das macht noch kein Ministerium. Was sie nicht hat, ist Zugriff auf die Ressourcen, mit denen der digitale Wandel gestaltet und gesteuert werden könnte. Die hat sich der Finanzminister gegriffen, bei dem das Selbstbewusstsein allerdings deutlich ausgeprägter ist als das Problembewusstsein für die Herausforderungen der Digitalisierung“, kritisierte Thorsten Schäfer-Gümbel.

Die Landesregierung habe sich selbst bloßgestellt, indem sie als 100-Tage-Bilanz eine ausufernde Zusammenstellung von angeblich wichtigen Weichenstellungen veröffentlicht habe, so Thorsten Schäfer-Gümbel. Er sagte: „Es ist egal, wie viel Papier man vollschreibt – aus einer Ansammlung von Kleinigkeiten wird kein großer Zukunftsentwurf. Und aus vielen Ankündigungen wird kein politisches Handeln für Hessen, wenn man nicht den Mut hat, wirklich Neues zu tun. Die Wählerinnen und Wähler in Hessen haben am 28. Oktober knapp für eine Fortsetzung der Koalition aus CDU und Grünen ermöglicht. Aber sie haben damit bestimmt kein Votum für weitere fünf Jahre Stillstand abgegeben. Genau diesen Stillstand bekommt unser Land jedoch, wenn die Landesregierung nicht schnell in den Arbeitsmodus übergeht.“

 

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